LESEPROBE: WOHNEN

- 7 - und Baumflüsterer und Hippies können voller Stolz auf das hohe Alter ihrer „Wohnungen“ blicken. In kälteren Gegenden, in waldreichen Gebieten und auf Grassteppen errichtete der Homo erectus dauerhaftere Behausungen, die durchaus schon als Wohnungen zu bezeichnen sind. Hütten aus Bäumen und Zweigen, die er mit Rinde, mit Gras oder Torf und vielleicht auch mit Tierhäuten bedeckte, dienten dem Schutz vor wilden Tieren wie dem Höhlenlöwen, dem Säbelzahntiger oder dem riesigen Höhlenbären. Sie boten zudem Schutz vor Kälte, Sonne und Wind und eine Rückzugsstätte zum Stillen des Ruhebedürfnisses. Foto: Hans , Pixabay Bild: Falkensteiner Höhle, Baden-Württemberg (DE) Foto: hjournal16, Pixabay Bild: Typische Behausungen aus Lehm und Ästen der Himba, Namibia/Angola (NAM/ANG) Vor etwa 800.000 Jahren kommt Schwung in die Geschichte der Menschheit und seiner Behausungen. Eine Unterart des Homo erectus − die anderen sterben wieder einmal aus − entwickelt sich weiter zum Homo heidelbergensis, und der wiederum wird vor ungefähr 300.000 Jahren in Europa zum Stammvater des Homo neanderthalensis, des Neandertalers. Vor etwa 130.000 Jahren, also während der letzten Eiszeit, kommt er nach Deutschland. Dieser nächste Verwandte des heutigen Menschen war alles andere als der tumbe Primitivling, als den man ihn bis noch vor wenigen Jahrzehnten ansah. Er konnte vermutlich sprechen und stellte Steinwerkzeuge wie Schaber und Lanzenspitzen her. Mit Lanzen ging er in den Steppen Europas und Asiens auf die gemeinschaftliche Jagd nach Mammuts, Pferden, Rentieren und Hirschen. Schutz gegen Kälte und große Raubtiere boten Zelte und Hütten, die wegen der temperaturausgleichenden Wärmespeicherfähigkeit des Erdbodens in diesen eingetieft waren. Noch in jüngster Zeit errichteten Eskimos in Kanada solche Erdhütten, und auch in Island sind sie bekannt. In der Ukraine fand man Reste von Hütten, die aus Mammutknochen und -stoßzähnen konstruiert waren, eine Grundfläche von etwa 35 Quadratmetern und Platz für zwei Feuerstellen hatten. Am besten erhalten aber sind die Behausungen, die sich der Neandertaler unter Felsüberhängen und in natürlichen oder künstlich erweiterten Felshöhlen schuf. Sie hielten in allen Jahreszeiten die Temperatur konstant und konnten mittels eines Feuers am Eingang auch leicht gegen wilde Tiere wie die gewaltigen, bis zu 3,5 Meter großen Höhlenbären verteidigt werden. Hier fertigte der Neandertaler vermutlich auch Körperschmuck und vielleicht sogar Kunstwerke an. Jedenfalls deuten Ritzungen auf Tierknochen darauf hin. Aus einer dieser Höhlen, dem Bombrini-Felsüberhang in Norditalien, ist sogar eine räumliche Differenzierung bekannt. Es scheint, als hätten die Menschen dort verschiedene „Wohnräume“ für Tierschlachtung, Vorratshaltung, Aufenthalt und Werkzeugherstellung benutzt. Dass es sich auf diese Weise durchaus kommod leben lässt, beweisen heute noch bewohnte Höhlen, etwa in der französischen Dordogne oder im tief in das Kalksteinplateau eingeschnittene Tal des Lot in der Region Okzitanien. Für Sammler und Jäger war das Leben vergleichsweise bequem. Anthropologen schätzen, dass in wildreichen Gegenden Jäger nicht mehr als vier Stunden täglich zur Nahrungsbeschaffung brauchten. Vor ungefähr 150.000 Jahren erschien der Homo sapiens, der Jetztmensch, auf der Bildfläche. Auch er entwickelte sich in Afrika aus dem Homo erectus. Vor etwa 75.000 Jahren machte sich eine Gruppe von ihnen wieder einmal auf den Weg out of Africa und hatte schon drei Jahrzehntausende später ganz Europa und Asien, ja sogar Australien erreicht. Die Beziehung zu den Neandertalern scheint eine gewisse Zeit lang nicht nur von Konkurrenz und Kampf geprägt worden zu sein. Jedenfalls lassen die etwa vier Prozent von Neandertaler-Genen bei heutigen Europäern – in Afrika fehlen sie – darauf schließen, dass man sich,

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