Immer wieder Weihnachtszeit

10 inne wurde und ihn hervorgebracht hat. Jeder Mönch und Mystiker will es Maria gleich tun. „Wär Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in Dir, so bliebst Du doch verloren“, so fasst der Mystiker An- gelus Silesius die Weihnachtsbotschaft zusammen. Mit dieser mystischen Kernbotschaft vom göttlichen Wesen jedes Menschen stieß die Weih- nachtsbotschaft auf wenig Frieden. Der König Herodes der Große sah in Jesus, dem auf Erden angekommenen göttlichen Kind, sogleich einen Rivalen. Er ließ alle männlichen Babies kurzerhand in Bethlehem töten, um die göttliche Entwicklungslinie der Menschen im Ansatz auszurot- ten (Matthäus-Evangelium 2,16). Herodes und andere Herrscher mögen keine Menschen, die ihrer eigenen Größe innewerden und andere damit anstecken. Sie würden dann andere Gesellschaftsformen entwickeln. Die schwangere Maria bringt die Bewusstseins-Revolution auf den Punkt: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen“ (Lukas-Evangelium 1,52). Aus der Sicht des Weihnachtsmenschen tap- pen die meisten Menschen bei der Frage nach ihrem wahren Wesen und ihrem Lebenssinn noch ziemlich im Dunklen. Sie sind sich der meisten Vorgänge in ihnen weitgehend unbewusst: was sie denken, fühlen und aus welchen Motiven heraus sie wirklich handeln. Und kaum jemand lehrt sie, ihr eigentliches Wesen zu entfalten. Weihnachten ist ein Prozess des Licht-Werdens, so wie die Sonne nach Weihnachten wieder höher und höher steigt. Das Fest des Lichtes und des Lichtwerdens ist schon in jedemMenschen angelegt. Der Psychologe Abraham Maslow fasst die Weihnachtsbotschaft mit dem Satz zusammen: „Der Himmel ist in Dir“. Der „Himmel“ ist das evolutionär in jedem Menschen angelegte Potenzial. Die „Transzendenz“, die die mittelalterliche Kirche aus dem Menschen abspaltet, ist also nicht jenseitig in einem anderen Äon oder einem einstigen Paradiesgarten, ei- nem künftigen Himmelreich oder auf einem utopischen Stern („himmli- sche Sphären“). Das „Jenseitige“ ist lediglich das von der Leitkultur Ab- gespaltene. Es soll nach Auffassung der Mystiker wieder im Menschen wohnen und dort entfaltet werden. „Gott“ ist das Potenzial, das in jedem Menschen verborgen liegt. Jesus spricht vom „Schatz im Acker“, der un- ter der Erde vergraben liegt. Jeder hat diesen Schatz. Das ist das Evange- lium, die „gute Botschaft“.

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