LESEPROBE: WOHNEN

- 10 - In ganz anderer Weise entwickelten sich die Lebens- und Wohnformen in Ackerbaugesellschaften. Wir kennen sie seit etwa 12.000 Jahren, ihre allerersten Anfänge in der Levante sind wohl noch einmal 3.000 Jahre älter. Zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte kommt es zur Herausbildung von Privateigentum, nicht nur von persönlichen Dingen wie Kleidung und Waffen, sondern auch von Produktionsmitteln wie dem Pflug oder Saatgut. Wichtig wird vor allem aber der private Landbesitz und damit die private Verfügungsgewalt über die Ernte. Eine Einstellung, die Jägern und Sammlern völlig fremd war. Bei ihnen wurde die Beute gemeinsam geteilt und gehörte allen, der Familie, der Sippe, dem Stamm. Wo kämen wir denn hin, argumentierten hingegen die Ackerbauern, wenn einer sich die Arbeit macht, das Land zu bestellen, und andere sich einfach ohne eigene Anstrengungen der Früchte dieser Arbeit bedienen. Man lebte jetzt in Dörfern zum gemeinsamen Schutz der Felder und Ernten. Hirtennomaden nämlich fielen nur allzu gerne in die bebauten Flächen ein, um ihre Tiere dort weiden zu lassen. Vom Kampf der Hirten gegen die Ackerbauern erzählt die biblische Geschichte vom Brudermord von Kain und Abel. Die ersten Häuser im heutigen Sinne waren Rundhäuser. Man nimmt an, dass sie sich aus dem gemeinsamen Kreis rund um das Herdfeuer oder der Form der Nomadenzelte entwickelten. Schon früh wurden vergängliche Materialien durch Stein oder Lehm ersetzt. Stampflehm, der, wie der Name sagt, durch Verdichten zwischen einer Verschalung hergestellt und durch Pflanzenfasern stabilisiert wird, kam ebenso zum Einsatz wie luftgetrocknete Lehmziegel. Foto: Klaus-Peter Katzbach, Pixabay Bild: Darstellung/Nachbau eines Rundhauses aus Steinen Beide Formen kennt man bis heute. In Europa experimentiert man immer wieder einmal mit Stampflehmbauten, deren ausgeglichenes Raumklima man rühmt, wobei der Schutz gegen Regen und Luftfeuchtigkeit Probleme bereitet. Aus dem Punjab in Pakistan oder im rumänischen Donaudelta sind wie aus anderen Weltgegenden bescheidenere Wohnbauten bekannt. In allen Teilen Amerikas kennt man den Begriff „Adobe“ für Lehmziegelbauten. Spanische Eroberer sahen sich die Bauweise von den indigenen Völkern ab. In der Mesa Verde und im Gran Chaco bauten die wie ihre Dörfer als Pueblos bekannten Ureinwohner mehrstöckige Wohnhäuser, bei denen der Eingang zum Schutz vor Feinden mittels Leitern über die Dächer erfolgte. Bei allen, manchmal bis zu fünf Stockwerke hohen Pueblos waren die höheren Stockwerke immer ein Stück zurückversetzt und so über die außen angelehnten Leitern zu erreichen. Foto: Klaus-Peter Katzbach, Pixabay Bild: Wohnsiedlung „Taos Pueblo“, New Mexico (USA) Ein besonders gut erhaltenes und wenig verändertes Beispiel für diese Bauweise ist das heute noch bewohnte „Taos Pueblo“ in New Mexico. Es ist die älteste erhaltene und bis heute benutzte Wohnsiedlung der USA. Im palästinensischen Jericho, der möglicherweise ältesten Stadt der Welt, wurden 8.000 Jahre alte Lehmziegelbauten ergraben, aus dem syrischen Tell Halaf (4000 v. Chr.) sind vielräumige Feldsteinbauten bekannt, und auf Zypern entdeckte man ein Haus (3500 v. Chr.) mit einem halbkreisförmigen Zwischengeschoss in 2,30 Meter Höhe. Wozu mag es gedient haben? Zum Schlafen, zur Vorratshaltung? Bei all diesen Bauten, ob ein- oder mehrstöckig, erfolgte wohl ebenfalls der Zugang über die Dächer. Rechteckhäuser wurden parallel zu den überkommenen Rundbauten entwickelt. Sie bieten bei der Konstruktion mit Lehmziegeln und bei der Raumeinteilung Vorteile. Im nordirakischen Tell Hassuna nahe der heutigen Stadt Mossul wurde ein Gehöft aus den Jahren 5500 bis 5000 v. Chr. entdeckt, das europäischen Bauernhäusern der Neuzeit verblüffend ähnelt. Das Langhaus hatte einen Zugang von der Querseite, nicht mehr vom Dach. Ein die gesamte Hausbreite einnehmender Hauptraum, in dem sich die Feuerstelle

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