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Chinesisches Drachengift

Gebrautes Bier war vor der Einführung des Teetrinkens in Ostfriesland das Hauptgetränk.

Der Bierkonsum wurde jedoch schnell zurückgedrängt, weil Tee preisgünstiger war. Aller-

dings musste Tee importiert werden. Deshalb gab es zeitweilig Bemühungen der Obrig-

keit, den Teekonsum zu unterdrücken. Schließlich sollte das Geld im Land bleiben.

Wer die Anfänge der Ostfriesischen Teekultur ergründen möchte, muss bis in das frühe

17. Jahrhundert zurück gehen. Der Handel zwischen Europa und Asien florierte, und um

das Jahr 1610 brachten erstmals Schiffe der Niederländischen Ostindien-Kompanie Tee

nach Holland. Ostfriesische Seeleute, die auf niederländische Rechnung fuhren, brachten

dann vermutlich den Tee auch nach Ostfriesland.

Den Nachbau eines Ostindienfahrers – der Galeone Batavia – kann man in der Batavia-

Werft im niederländischen Lelystad besichtigen. Wer das Schiff betritt, bekommt einen

realistischen Eindruck davon, unter welchen heute unvorstellbaren Bedingungen die

Seeleute damals gelebt und gearbeitet haben (siehe auch im Kapitel: Von Ostindien und

Batavia nach Ostfriesland).

Zunächst wurde der Tee als Medizin verabreicht, aber schon um 1720 existierte ein

umfangreicher Teehandel in Ostfriesland. Im späten 18. Jahrhundert war der Teegenuss

in ganz Ostfriesland weit verbreitet – etwa zeitgleich mit der Verbreitung der Kartoffel.

Auch Friedrich II. konnte die Erfolgsgeschichte nicht mehr aufhalten. 1778 versuchte

er den Ostfriesen das Teetrinken abzugewöhnen: Die Königlich Preußische Polizei-

direktion in Aurich gab einen Erlass heraus, der die große Verschwendung von Geldern

und Steuereinnahmen durch das Teetrinken hervorhob, wodurch der Staat einen großen

Schaden erleide. Die Bürger sollten lieber Tee aus Zitronenmelisse oder einer Petersilien-

Art trinken, anstelle des „Krautes“ aus China. Auch das Biertrinken wurde propagiert,

weil die Zutaten dafür doch im eigenen Land in ausreichender Menge angebaut würden.

Die selbstbewussten Ostfriesen reagierten mit zivilem Ungehorsam und heimlichem

Teetrinken, und das Gesetz bewirkte nur einen verstärkten Schmuggel. Am 11. Mai 1779

verfassten die ostfriesischen Landstände einen Brief: „Der Gebrauch von Tee und Kaffee

ist hierzulande so allgemein und so tief eingewurzelt, dass die Natur des Menschen schon

durch eine schöpferische Kraft müsste umgekehrt werden, wenn sie den Getränken auf

einmal Gute Nacht sagen sollten.“ Der König von Preußen gab nach zwei Jahren sein

Vorhaben auf und erlaubte den Genuss des „chinesischen Drachengiftes“.

Weil der Staat im 18. Jahr-

hundert Verluste an Steuer-

einnahmen befürchtete,

schlug er seinen Bürgern

vor, statt des „Krautes“ aus

China, Zitronenmelisse oder

Petersilie für die Zubereitung

von Tee zu verwenden.